Kunstaktion „Rettungsgasse"
4. September 2019
Die bunt bemalten Steine die wir hier sehen nehmen Bezug zu den orangefarbenen Rettungswesten an den Küsten des Mittelmeeres. Deren Träger hatten sich ihrer entledigt, sobald sie sicheren Boden unter den Füßen hatten. Die Aufnahmen die wir aus den Medien kennen sind mittlerweile Bild-Ikonen (genauso wie das Foto des ertrunkenen Kindes Alan Kurdi).
Mit dem Gedanken solche Westen aus Stein zu fertigen beschäftige ich mich seit geraumer Zeit. Umgangssprachlich bedeutet Stein so ungefähr das Gegenteil von schwimmfähig wenn es heißt: Etwas versinkt wie ein Stein im Wasser.
Diese Aussage berührt schon den Kern meines Vorhabens denn ungezählte Menschen auf der Flucht die bei der Überfahrt über das Wasser vermutlich auch eine solche Weste getragen hatten, ertranken dennoch; das Ding kann sein Rettungsversprechen im Ernstfall gar nicht wirklich einlösen - es lügt. Die Farben und die Formen die wir hier sehen reflektieren diese Einsicht; was hier liegt sind auch keine Life-Jackets sondern nur bemalte Steine.
Der Vergleich mit der Lüge trägt noch weiter, denn an Land wird die Weste, eben noch Auftrieb im Notfall versprechend, umgehend zum Beschwernis, wird zu Ballast den man abwirft. Damit sind die wesentlichen Zutaten für mein Vorhaben substantivisch benannt: Versprechen, Hoffnung, Lüge, Tod, Rettung, Ballast, Form und Farbe und Stein.
Erinnerung
in Zweitverwertung - Auf dem Werkhof meiner Arbeitsstätte lag seit Jahren der Sockel eines dorthin entsorgten Kriegerdenkmals-ein Monument aus dem deutsch-französischen Krieg 1870/71. Diesen Block (ca. 1 Kubikmeter Sandstein) spaltete ich auf und formte aus den Bruchstücken die ersten „Westen". Ich machte sozusagen aus einem alten, verschrotteten Gedenkstein neue, aktuellere Gedenksteine.
Die Überschrift
Die Wortschöpfung Rettungsgasse kommt bekanntlich aus einem anderen Zusammenhang -Autofahrer auf Autobahnen behindern das Durchkommen der Rettungskräfte. Auch dort im Gefahrenbereich der Straßen kommen Westen in leuchtenden Signalfarben zum
Einsatz.... und es gibt eine Analogie, wenn auch anders herum; bei einem Verkehrsunfall auf der
Autobahn kommt die Hilfe für die Opfer durch einen behinderungsanfälligen Korridor - eben der sogen. Rettungsgasse. Im Kontext von Flucht und Vertreibung suchen die Opfer einen Weg in Richtung ihrer Rettung. Auch in diesem Fall ein schmaler, gefahrvoller Korridor.
Die Umsetzung
Als ich etwa zehn Stücke gemacht hatte und absehbar noch einmal so viele würde herstellen können, nahm ich ersten Kontakt auf mit der Stadt Mainz um auszuloten ob so ein Projekt, zeitlich begrenzt,im öffentlichen Raum umsetzbar wäre. Das war im Herbst 2018. Zuständigkeiten wechselten bis schließlich Frau Huber die Projektleiterin Bildende Kunst im Amt für Kultur und Bibliotheken sich der Sache annahm, den Kontakt mit Frau Dold vom Haus des Erinnerns herstellte und beide die anderen zuständigen Ämter dazu bewegen konnten dem Vorhaben zuzustimmen.